Kriegskinder / Kriegsenkel

 

Das Trauma bewältigen

von Linde Limbacher - 4. April 2015                                                                                                         

 

70 Jahre sind vergangen seit dem letzten Weltkrieg

Bomben, Vertreibung, Vernichtungslager, Vergewaltigung, Hungersnöte, Leichenberge waren das Schicksal unserer Großeltern

 

 

 

Das Trauma erkennen

 

 

70 Jahre nach dem  letzen Krieg entsteht allerorten ein Bewusstsein  für die massenhaften Traumatisierung der Bevölkerung und  die sog. transgenerationale Weitergabe von Traumata. Die letzten Wochen berichten alle Medien über die Weltkriege. Das reißt alte Wunden auf.

 

 

 

Was sind die Folgen des Krieges?

 

Kriegskinder und Kriegsenkel wissen oft wenig über die Vergangenheit ihrer Herkunftsfamlie.   Familiengeheimnisse sind für die seelische Entwicklung Gift, denn sie verhindern eine Verarbeitung des Geschehenen. Die Folge sind Generationen-konflikte, generelles Misstrauen, was in den nachfolgenden Generationen zu Gewalt, Sucht, Depressionen und  psychosomatische Krankheiten führen kann. Auch die Kriegsenkel könnnen betroffen sein. Sie weisen vielfältige psychische Probleme auf, haben zum Beispiel Konflikte mit ihren Kindern oder können keinen Partner finden, es fällt ihnen schwer Wurzeln bilden, sie fühlen sich immer getrieben. Den Ursprung ihres Gefühschaos in den Wirren des Krieges zu suchen,  kommt vielen erst in den Sinn, wenn Sie die Familienaufstellung durchgeführt haben.

 

 

 

Carolas Chaos

 

 

 

Als Carola, 50, die Wohnung ihrer  der Eltern ausräumt, findet sie 3! Mutterpässe ihrer Mutter, von denen sie  bisher nichts wusste. Sie war bisher der Meinung, das einzige Kind ihrer Mutter zu sein.

 

Ihr eigener Mutterpass  war nicht dabei. Ihre  Mutter Klara hatte ihr nie erzählt, dass sie mehrmals schwanger war! Sie will auch heute nicht darüber sprechen und schweigt eisern. Carola aber beginnt zu recherchieren:

 

Die Großeltern, ehemals wohlhabende Leute,  flüchteten aus der Ostzone nach Norddeutschland. Oma Sophia hat früher oft davon erzählt, wie sie jedes ihrer Kinder einzeln, nachts, mit Hilfe von Schleußern, in den Westen geholt hat.

 

Als ihr totgegaubter Ehemann nach zehn Jahren überraschend als Spätheimkehrer aus der russichen Gefangenschaft auftauchte, war sie längst liiert mit einem anderen Mann, den die Kinder Vati nannten.  Es kam zu einen fürchterlichen Krach,  daraufhin versuchte die Mutter sich umzubringen. Sie überlebte und musste für  Monate in die Psychiatrie. 

 

 

 

Die vier Kinder wurden zwischen verschiedenen Verwandten hin und hergeschoben.  Als junge Erwachsene wanderten drei dieser Kinder in die USA aus, nur Carolas Mutter Klara blieb bei ihren Eltern.  Sie heiratete erst spät und lebte ein trauriges Leben als Alkohikerin. Carola und ihrem Bruder konnte sie nur wenig Liebe geben.  Trotzdem, Carola hatte lange geglaubt, sie lebte in „normalen“ bürgerlichen Verhältnissen. Das Haus, der gute Beruf  des Vater, zeigten eine ganz normale mittelständische Fassade.

 

 

 

Für Carola ist die Aufarbeitung der Geschichte ein wichtiges  Anliegen. Obwohl noch sehr viele Fragen ungeklärt sind, wird ihr langsam bewusst, wie sehr ihre Mutter unter der Vergangenheit gelitten haben musste, und wie sehr sie auch selbst unter den Folgen zu leiden hat.

 

 

 

Heinz - Blut an den Händen

Heinz, 75,  ist ein Mann der alles kann. Ausgezeichneter Handwerker. Fleißig. Zuverlässig.  Er erzählt uns seine Geschichte: Als kleiner Bub fand er ein Ei an Ostern und brachte es nach Hause, es hing etwas raus, er zog es weg - die Handgranate expodierte, seine kleine Schwester war sofort tot, drei Geschwister schwer verletzt. Davon durfte er niemanden erzählen, doch er fühlt sich zeitlebens wie ein Mörder. Heute versteht er, dass er damals selbst noch ein sehr kleiner Junge war und kann über den Verlust seiner Geschwister trauern.

 

Familiengeheimnis von Hedwig: Wer ist meine Großmutter?

Hedwig hat einen Sohn, der ist Schizophren.

Oma Anna  floh mit ihrer kleinen Schwester Rita und deren angeblichen Sohn Heinz aus der russischen Besatzungszone. Auf der Flucht ging die Schwestern mit dem Baby ins Wasser - es war zu seicht, sie sind nicht ertrunken, mussten mit durchweichten Kleidern weitermarschieren.

Russen haben die Frauen vergewaltigt.  Die jüngere Schwester ging ins Kloster, Anna heirate einen Bauern und zog Heinz auf.

In der Aufstellung kam raus, dass Heinz garnicht nicht ihr Sohn von Anna ist,  sondern der Sohn ihrer Schwester Rita.

Sie war vergewaltigt worden, und konnte dieses Kind nicht ertragen, deshalb ging sie ins Kloster. Ihre große Schwester erzog den Jungen wie ein eigenes Kind.

 

Constanze - mein Vater ist das Kind von einem Alliierten

Constanze sieht man an, dass sie südländische Wurzeln hat. Ihre hübsche Großmutter hatte im Alter von 16 Jahren eine Affaire mit einem farbigen Soldaten der Allierten.  Daraus entstand John, der einzige Mischlingsjunge in dieser bayrisch-katholischen Provinz.  Die junge Mutter wurde von ihren Eltern verstoßen, das farbige Baby nahmen sie ihre weg und zogen es auf, aber aufgrund der Hautfarbe wurde es nie akzeptiert. Der Junge wurde sehr schwierig, er trank, raufte sich, und wurde schon mit 16 Vater.  Die Beziehung  hielt nicht einmal bis zur Geburt seiner Tochter . Constanze wuchs ohne Vater auf. Das macht sie oft sehr traurig.

 

Hanna - mit der falschen Identität

 

 

 

Hanna erkannte zu ihrem entsetzen, dass der Name ihres Vater ist falsch ist. Als Soldat floh er aus der Gefangenschaft, nahm einem Toten seine Kleider ab und gab sich später diesen Namen. Erst am Ende seines Lebens gab er zu, dass er in Russland verheiratet war und drei Kinder hat. Er schreibt ihnen heimlich Briefe und schickt Geld. Seit 40 Jahren.

 

Stefanie:  Väter im Krieg  - Täter und Opfer

Stefanies Vater war Pilot, er wollte nie in den Krieg, sein Vater war im ersten Weltkrieg gefallen. Dennoch wurde er eingezogen und musste Städte bombardieren. Als er zurückkam war seine Braut mit seinem Bruder verheiratet. Das traf in ins Herz, er heiratete eine Frau aus der Nachbarschaft. Stefanie wurde geborten und war sein Lebensglück, sein Halt im Leben.  Stefanie jedoch hatte immer ein wenig Angst vor ihm, fühlte sich in seiner Nähe wie Blei. Die Mutter und der Vater waren nur kalt miteinander, das Klima war gefroren, Karin fühlt diese innere Kälte auch heute noch Tag für Tag.

 

 

 

Monika - Bruchstücke einer Erinnerung

Als Kind hatten sie die Heimat verlassen, die Möbel zurücklassen.

In Würzburg angekommen kauften die Elten ein stattliches Haus mit sehr schönen gebrauchten Möbeln. Monika fragt sich heute, wem diese Möbel wohl gehört haben? Wem hatte dieses Haus bisher gehört?

Die Fragen wühlen auf,  finden bisher keine Antwort, die Eltern sind verstorben.  Monika will sich nun auf die Suche machen.

 

 

 

 

Warum Familienaufstellungen?  

 

Das Heilende Feld

 Was dieses sog. heilende Feld vermag, erfüllt mich und alle Teilnehmer in  Staunen, in Demut, in Verwunderung.

Ohne auch nur den Hauch eines Wissens stellen sich Stellvertreter , ganz normale Leute da und beginnen in einer sehr tiefen heftigen Weise zu fühlen, was Ahnen durchgemacht haben, was sie gefühlt oder nicht zu fühlen in der Lage gewesen sind.

Dieses Schauspiel vollzieht sich vor uns in uns in einer wundersamen Weise.

Tränen fließen, Vorwürfe werden ausgesprochen, Versöhnung geschieht, Schuld wird bekannt, Verantwortlichkeiten erkannt und zurückgegeben.

 Während wir Zeugen und Initiatoren dieses Erlebens sind, vollzieht sich nicht einfach nur Erinnerung - es vollzieht sich auch gleichzeitig noch Heilung-

 Versöhnung - Anerkennung-Verstehen-Begreifen-Erfahren-Entladen.

 Am Ende einer Aufstellung noch eine zweite Runde der Verwunderung - die Teilnehmer berichten von dem Gefühl, dass sie sich nicht zufällig in dieser Rolle wiedergefunden hätten, denn überzufällig  oft gibt es verblüffende Übereinstimmungen.

Ich stand hier als Pilot - und mein Vater war auch Pilot, Ja ich bin auch das achte Kind in der Familie, Ja ich bin auch schon 12 mal umgezogen ,  ja auch in meiner Familien wurden gleich drei Söhne vermisst.

 So vieles könnte wir im Leben leichter nehmen, würden wir dieses heilige Feld zur Rate ziehen ob es das Verstehen in Partnerschaften, den Sinn und die Bedeutung von Störungen die wir heute Krankheit nennen, der Abfluss von Geld, uvm

ch denke die Zeit, in der die Möglichkeiten von Aufstellungen wirklich genutzt werden liegt noch in der Zukunft, in naher Zukunft hoffentlich

 

Möge Heilung geschehen

 Nach den Aufstellungen fällt oft eine Last von den Schultern, es kommt Ordnung in die Gedanken.

Viele Teilnehmer berichten mir, dass ihnen leichter wird, dass sie nun erkennen, wie verstört ihre Eltern sind und vielleicht auch zeitlebens waren

 viele verhaltensweisen werden in einem anderen licht betrachtet die tragweite der verluste der eltern werden erst jetzt verstanden - obwohl es wahrscheinlich nicht vorstellbar ist, was sich in den zeiten der kriege tatsächlich für ein Wahnsinn abgespielt hat täter und opfer sind oft kaum zu unterscheiden

 

Berichte

Generation Kriegskind: Im Alter kommen Erinnerungen wieder

Von Annabell Brockhues, dpa

 

Flucht oder Hungersnot: Die Kriegsgeneration hat viel Belastendes erlebt. Vieles davon kann nach Jahrzehnten wieder hochkommen. Foto: Andrea Warnecke   Foto: dpa Flucht oder Hungersnot: Die Kriegsgeneration hat viel Belastendes erlebt. Vieles davon kann nach Jahrzehnten wieder hochkommen. Foto: Andrea Warnecke

 

Münster (dpa/tmn) - Auf einmal sind sie wieder da: die Bomben, Flugzeuge und Soldaten. Viele Kriegskinder erinnern sich nach Jahrzehnten an frühere, traumatische Erlebnisse. Allein sind sie damit aber nicht - Angehörige können helfen.

 Es ist der Abend vor dem ersten Irakkrieg. In den Supermärkten einiger Großstädte sind alle Grundnahrungsmittel ausverkauft - Hamsterkäufe. Einige Tage später kommen viele ältere Menschen in die Ambulanz zu Gereon Heuft, Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Münster. Sie klagen über Schmerzen, Atemnot und Ängste. Als Heuft sie darauf anspricht, erzählen sie plötzlich von Erinnerungen und Ängsten aus dem Zweiten Weltkrieg.

 Es ist das erste Mal, dass Heuft mit der Traumareaktivierung in Berührung kommt. «Etwas taucht auf und stößt die Erinnerungen in aller Intensität an», erklärt Hartmut Radebold, Psychotherapeut und Psychoanalytiker aus Kassel. Auslöser, sogenannte Trigger, können Geräusche, Gerüche, ein Feuerwerk oder eine bestimmte Sprache sein.

 Auch ein neues Trauma durch einen Unfall beispielsweise kann alte Belastungen wieder an die Oberfläche bringen. Den meisten Älteren ist bei ihren Ängsten und Gefühlen nicht einmal klar, dass es um Belastungen aus der Kriegskindheit geht.

 1945 waren 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen bis 16 Jahre schwerst belastet. Auch wenn sie nicht selbst im Krieg waren, haben sie den Beschuss erlebt, wurden Zeuge von Vergewaltigungen, mussten fliehen oder waren verschüttet.

Geredet wurde über die Erlebnisse nach dem Krieg nicht. Radebold geht davon aus, dass 80 Prozent der Betroffenen geschwiegen haben. Ilka Quindeau, Psychologin an der FH Frankfurt, beschreibt die damaligen Erziehungsmethoden in Deutschland folgendermaßen: «Als Ideal galt, jegliche empathische Zugewandtheit zu vermeiden.» Mitgefühl von den Eltern gab es keines.

 Es gibt aber noch andere Ursachen, die die Kriegserinnerungen wieder aktivieren. Sowohl Heuft als auch Radebold haben in der Praxis festgestellt, dass Ältere aktiv über viele Erlebnisse nachdenken. Im Alter hat man mehr Zeit, sich mit der Vergangenheit zu befassen.

 Laut einer von ihr erstellten Studie konnte Ilka Quindeau keinen klinischen Befund für Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) feststellen - auch wenn Betroffene einzelne Symptome zeigen würden. Quindeau geht auf Grundlage einer weiteren Leipziger Studie davon aus, dass 15 bis 18 Prozent der Kriegskinder unter Trauerfolgestörungen leiden, 5 bis 8 Prozent leiden unter PTBS.

 Traumareaktivierungen und Belastungen lassen sich gut behandeln - auch ohne professionelle Hilfe. Auf keinen Fall dürften Betroffene gezwungen oder gedrängt werden, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, warnt Heuft. Bemerken Angehörige, dass Eltern oder Großeltern alte Erinnerungen belasten, sollten sie darauf eingehen und sie behutsam nach der Zeit fragen. «Vor allem Jüngere sollten sich trauen und fragen: «Was hast du erlebt, was ist dir passiert?»», rät Radebold.

 Alternativ können Betroffene mit ihrem Hausarzt sprechen. An vielen Orten stehen auch Gesprächsgruppen für Kriegskinder zur Verfügung. Experten halten es für sinnvoll, die eigene Geschichte aufzuschreiben - entweder in einer Schreibwerkstatt oder alleine.

 In einer professionellen Beratung können Betroffene abklären: Was brauche ich noch? Was kann mir helfen?, sagt Radebold. Dafür kommen Beratungsstellen oder Psychotherapeuten infrage.